Der 3D Scan eines Wendelhalsring aus Klein Kreutz

Hier möchte ich kurz die digitale Erfassung eines Wendelhalsringes aus dem Stadtmuseum Brandenburg erläutern und die Vorteile moderner 3D-Scans aufzeigen. Durch intensive Landwirtschaft und industriellen Düngereinsatz sind Funde wie diese außergewöhnlich geworden. Diese Seltenheit macht eine umfassende Erfassung und Präsentation umso wichtiger. Der digitale Zwilling kann nun weltweit von Forschern oder interessierten Laien eingesehen werden, ohne das Original zu gefährden. Gleichzeitig wurde der IST-Zustand vollumfänglich gesichert und kann jederzeit für weitere Abbildungen oder Analysen herangezogen werden.

Der Blogpost selbst ist etwas länger geworden und beginnt mit einem technischen Abriss über die Datenerfassung. Anschließend werden Renderings, Animationen und interaktive Modelle gezeigt und erklärt. Am Abschluss erkläre ich noch kurz einige Eckdaten zum Bronzering in seinem archäologischen Kontext.

Datenaufnahme und 3D-Scan

Da der Wendelhalsring sicher im Archiv des Brandenburger Stadtmuseums verwahrt wird, ist er nicht jederzeit verfügbar. Vor zwei Wochen jedoch erhielt ich den Anruf, dass der Ring nun gerade entnommen wurde und für einen 3D-Scan bereitsteht.

Also habe ich mein Scanequipment gepackt und war 20 Minuten später vor Ort. Den wann hat man schon einmal die Chance einen solchen Ring digital zu erfassen und aus der Nähe zu sehen.

Fotogrammetrie Scan

Der eindrucksvolle dickwandige Ring wurde mittels eines sehr mobilen Set-up digital erfasst. Dazu drehte der Fund zuerst einige Runden auf meinem manuellen Drehteller und wurde mittels 327 Einzelbildern in mehreren Umläufen erfasst. Um die Reflexion der metallischen Oberfläche noch weiter zu reduzieren, kamen Polfilter auf der Kamera und der Lichtquelle zum Einsatz. Diese Form der Kreuzpolarisation negiert annähernd alle unerwünschten Reflexionen, dunkelt dabei das Bild allerdings stark ab. Um dies und die hohe Tiefenschärfe zu kompensieren, ist ein Stativ und ein Fernauslöser unbedingt nötig, um verwacklungsfreie Aufnahmen zu erzeugen. Anschließend wurden die Aufnahmen noch um Farbkalibrierungsbilder ergänzt, um später eine möglichst realistische Kolorierung des Models zu erhalten.

Wie schon häufig geschrieben, besitzen Fotogrammetriemodelle keine eingebaute Skalierung. Sie sind vielmehr relativ proportionale Modelle, die keine absolute Bemaßung besitzen. Um dem Modell seine genauen, originalen Abmessungen zu geben, gibt es allerdings mehrere Möglichkeiten.

Maßstäbe und Zielmarker

Während des Scans können saubere Maßstäbe oder Marker mit bekannten Abständen zueinander integriert werden. Da diese ebenfalls im 3D-Scan erfasst werden, können nach/während der Erstellung der 3D-Daten diese bekannten Abstände als absolute Größenwerte mit in die Berechnung einfließen, um für eine absolute Skalierung zu sorgen.
Dies hat den Nachteil, dass sie während der Erfassung mit im Bild sein müssen und so die zur Verfügung stehende Auflösung reduzieren. Auch ist eine gewisse Ungenauigkeit gegeben, da der Strich von Maßstäben eine Mindeststärke aufweisen muss, um sichtbar zu sein und damit je nachdem, wo der Messpunkt digital gesetzt wird, eine Abweichung möglich ist.
Diese ist meist eher klein, aber allein das Verändern des Bildausschnittes führt mitunter zu starken Qualitätsverlusten der Bildaufnahme, die ich vermeiden möchte.

Referenzscan

Mein bevorzugter Weg ist es, einen zweiten schnellen Scan mit einem absolut skaliertem Scanverfahren anzulegen. Dazu verwende ich meist Streifenlichtscanner, die durch die Form Ihrer Datenaufnahme schnell Modelle bis zu einer gewissen Genauigkeit erfassen können.

Meist muss dafür nicht das komplette Modell gescannt werden, sondern nur eine Seite. Dies lässt sich in wenigen Minuten realisieren und bietet eine gute Möglichkeit, beide Modelle miteinander abzugleichen.

Hier habe ich einen einfachen Revopoint Scanner eingesetzte, um eine Hälfte des Ringes zu erfassen. Anschließend habe ich sowohl das Fotogrammetrie-Modell als auch das Revopoint-Modell mittels eines ICP (iterative closest point) Alignment aneinander ausgerichtet und skaliert. Dadurch hatte das hochgenaue Fotogrammetrie-Modell seine korrekten Realweltmaßstäbe und wurde gleichzeitig überprüft, ob es korrekt berechnet wurde.

Verwendung der Daten

Aus dem 3D-Modell wurden verzerrungsfreie Renderbilder angefertigt, einige Animationen, ein interaktives 3D-Modell zur Ansicht im Internet und bald vielleicht noch ein 3D-Druck.

Zur Archivierung und weiteren Verwendung wurden die Daten in mehreren verschiedenen Formaten abgelegt und der Scanvorgang selbst noch einmal in einem Protokoll dokumentiert.

Renderbilder

Die Möglichkeit, digitale „Fotos“ von einem 3D-Scan anzufertigen, ist ein nicht zu unterschätzender Mehrwert.

Im 3D-Editor habe ich die volle Kontrolle über Lampen, Hintergründe und Bildausschnitte. Es werden keine komplizierten Ständer benötigt, um Detailaufnahmen einzelner Bereiche zu machen und auch das Objekt selbst kann frei schweben oder auf Objekten abgelegt werden. Allein dass problemlos transparente Hintergründe erstellt werden können, ist eine starke Zeitersparnis (wie jeder, der schon manuell komplexe Objekte freistellen musste, sicher bezeugen kann.)

Und das Beste, ich kann jederzeit neue Bilder aufnehmen, ohne das Original wieder aus seiner Vitrine oder dem Archiv zu entnehmen.

Animationen

Natürlich können auch Videos vom Objekt virtuell erzeugt werden, um es schnell von allen Seiten zu zeigen.

Rekonstruktion der Tragweise des Wendelringes

Ob die *echten* Wendelhalsringe wirklich getragen wurden, war lange Zeit ein heiß umkämpftes Thema. Gerade die schau-flippigen Varianten würde ich nicht tragen wollen.

Das hier gezeigte dickwandige Exemplar ist weniger gefährlich, aber wahrscheinlich immer noch unbequem am Hals zu tragen. Daher wird in der folgenden Rekonstruktion ein Schutz für den Hals gezeigt.

Es ist davon auszugehen, dass die empfindliche Haut geschützt werden musste, nur uns sind leider keine Funde überliefert, wie dieser ausgesehen haben könnte. Neben Schals, Hauben, die über den Kopf bis zu den Schultern gingen oder Stoff- oder Lederstreifen sind viel vorstellbar. Entschieden habe ich mich für einen einfachen braunen Lederstreifen, der hinten mit Lederbändern zugebunden ist.

Für die Rekonstruktion habe ich eine Frau mittleren Alters erstellt, die den gescannten Wendelhalsring um den Hals trägt. Die Originalfarbe der patinierten Bronze habe ich gegen eine schimmernde Goldbronze getauscht. Diese entspricht wahrscheinlich eher der Oberfläche während der Nutzungszeit.

Wendelringe in der Forschung

Aus dem Elb-Havelgebiet sind mehr als 100 Wendelhalsringe aller Formen bekannt. Noch häufiger sind Sie in Schleswig Holstein und Skandinavien. Durch ihre Häufigkeit und Verbreitung über den gesamten nordischen Raum sind sie eine der Leitformen der Perioden V und VI.

Sie werden grob in echte und imitierende Ringe unterteilt. Wobei die echten sorgfältig aus einem schmalen Blech gedrehten und geschmiedete Schmuckgegenstände sind, wie der hier vorgestellte Ring aus Klein Kreutz. Die Bleche können dabei scharfe Kanten tragen oder eher dicklippig sein.

Die imitierenden Formen tragen dasselbe Muster aus gegenläufigen Wendelzonen, sind aber meist leichter, dünner und offensichtlich gegossen und nicht aus geschmiedet.

Der Wendelring von Klein Kreutz

Der hier gezeigte Ring wurde 1929/30 bei Bauarbeiten in Klein Kreutz bei Brandenburg gefunden. In der Literatur wird er als typischer Einzelfund mit Hortcharakter angesprochen.
Diese Niederlegung von einzelnen „Echten“ Wendelhalsringen ist typisch für diese Schmuckform. Sie werden häufig in der Nähe von spätbronzezeitlichen Siedlungen und Gräbern gefunden und sind vielleicht eine Art Totenschatz zu betrachten, der separat zu einer Bestattung niedergelegt wurde.

Der Ring besteht aus zinnreicher heller Bronze und zeigt an vielen Stellen Narben durch die Bildung wilder Patina. Er besteht aus neun Windungsfeldern und acht Wendelstellen. Der massive Verschluss ist ein geschmiedeter und mit Linien verzierter Fausthaken.

Er wurde aus einem fast gleichmäßigen 5 mm starken Blech gedreht und wiegt heute etwa 670 g. Gegenüber dem Verschluss findet sich ein Spannungsbruch, der wahrscheinlich durch häufiges Öffnen und Schließen entstand.

Heute wird der Fund im Stadtmuseum Brandenburg verwahrt.

Haben auch Sie Interesse an 3D Scans und Drucken?

Melden Sie sich gern bei mir unter Kontakt@praehist3d.de

Literatur

Horst 1972
F. Horst, Die Wendelringe von Klein Kreutz, Kr Brandenburg-Land, und Beelitz, Kr. Potsdam, und ihre zeitliche und kulturelle Stellung, Ausgrabungen und Funde 17, 1972, 124–130
 
Pietzsch 1972
A. Pietzsch, Technisches zum Wendelring von Klein Kreutz, Kr. Brandenburg-Land, Ausgrabungen und Funde 17, 1972, 130–131

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