tl;dr: Nachdruck von nur fragmentierten Funden bietet ein weites Anwendungsgebiet in der Forschung, Lehre und Museen. Vor allem die Detailtreue moderner Vollfarbdrucker kann sehr realistische Repliken erstellen und erlebbar machen, ohne das fragile Original zu gefährden.
Der im Folgenden beschriebene Nachdruck eines archäologischen Objektes geschah in Zusammenarbeit mit der Firma Formwerk3D.
Gefäße aus Siedlungsgrabungen
Keramikfunde aus Siedlungen sind meist extrem fragmentiert und selten können alle fehlenden Teile geborgen werden. Die Gründe für diese Problematik sind vielfältig und entstehen zu unterschiedlichen Zeiten.
Idealfall-Szenario
Nachdem es erfolgreich produziert wurde, befindet sich das Gefäß zum Zeitpunkt der eigentlichen Siedlungsphase in Benutzung. Die Dauer dieser Verwendung ist unbekannt und kann maximal näherungsweise geschätzt werden. Im Verlauf dieser Nutzung kommt es irgendwann zu einem Unfall und das Objekt wird unbrauchbar. Daraufhin wird es zusammen mit weiterem Siedlungsabfall komplett in einer Abfallgrube entsorgt.
Nach Ende der Besiedlung verbleiben alle einzelnen Teile in dieser Abfallgrube und werden nicht von Lagerungsprozessen beeinflusst. Nach Jahrhunderten wird dieser Befund im Zuge einer Ausgrabung geöffnet und sämtliche Bruchstücke geborgen, beschrieben, klassifiziert, zusammengesetzt, publiziert und vielleicht ausgestellt.
![](https://blog.praehist3d.de/wp-content/uploads/2016/04/Idealfall-Szenario-1.png)
Worstcase-Szenario
Zusammen mit einigen Fehlbränden wird das Objekt aus dem Brennofen geholt und seine Nutzung beginnt. Die Fehlobjekte werden beseitigt oder als Magerung wieder in neue Objekte gebracht. Das genutzte Objekt zerbricht und einzelne Teile werden in Abfallgruben oder auf Laufhorizonten entsorgt. Das ursprüngliche Stück wird mithilfe anderer Objekte repariert und weitergenutzt, bis es wieder zerbricht. Nach der weiteren Beschädigung wird ein Teil der Bruchstücke in einer neuen Funktion weitergenutzt, während der Rest in Abfallgruben oder Laufhorizonten verschwindet. Es dauert also mitunter lange bis alle oder ein Großteil der Teile in den Boden gelangen.
Nach dem Auflassen der Siedlung wird ein Teil der Abfallgruben von neueren, zeitlich jüngeren Befunden geschnitten und das enthaltene Material umgelagert. Ein Teil dieser Befunde erodiert und verschwindet mitsamt den enthaltenen Teilen. Die noch verbliebenen Scherben befinden sich in unterschiedlichen Gruben verteilt über ein weites Areal und sind unter Umständen diversen Bodenprozessen unterworfen. Diese zerrütten die Keramik und lassen sie porös werden.
![Worstcase Szenario](https://blog.praehist3d.de/wp-content/uploads/2016/04/Worstcase-Szenario.png)
Während der Bergung wird nur ein Teil der vorhandenen Gruben ausgegraben. Die Kombination aus schlechter Erhaltung und Zeitdruck einer Notbergung führt schon während der Grabung zum Verlust weiterer erhaltener Objekte. Nach der Ausgrabung werden die Funde gelistet und in einem Vorbericht erwähnt. Nach diesem sorgt fehlende Zeit zur Einlagerung der Objekte in einem Magazin, in dem sie verbleiben, bis sie für ein gezieltes Forschungsprojekt, Doktorarbeit oder Ähnliches gebraucht werden.
Möglichkeiten aktueller 3D-Technologien
Wie schon in früheren Artikeln gezeigt, können Objekte wie diese schnell und einfach digitalisiert werden. So bleiben sie immer in Reichweite und können schnell, in Form eines digitalen Modells, aufgerufen und verarbeitet werden. Dies erspart viel manuelle Bewegung im Magazin und schont die Objekte. Auch können einzelne Modelle digital zusammengesetzt und ergänzt werden.
3D-Druck
Mithilfe des 3D-Drucks lassen sich nun ebendiese virtuell zusammengesetzten Objekte replizieren und fehlende Teile ergänzen. Abhängig vom verwendeten Druckmaterial, lassen sich verschiedene Zwecke erfüllen.
Kunststoffdrucke
Am weitesten verbreitet sind Drucker, die aus verschiedenen Filamenten Kunststoffobjekte erstellen. Meist sind diese nur in der Lage, ein Material, seltener zwei, für den Druck zu verwenden. Damit lassen sich original erhaltene Stücke und ergänzte Flächen gut voneinander abgrenzen. Ausdrucke in Kunststoffen sind vergleichsweise günstig und schnell zu erstellen. Allerdings wirken Objekte aus diesen Druckern sehr abstrakt und geben nur die Form, nicht aber Farbe, Gewicht und Oberflächenbeschaffenheit des Originals wieder.
Moderne Kunststoffdrucker sind allerdings in der Lage, erstaunlich feine, detailgetreue Objekte herzustellen.
Farbgipsdruck
Vollfarbdrucker wie der Polyjet 660pro sind in imstande, realitätsnahe Farben auf Ausdrucke anzuwenden. Durch dieses erweiterte Farbspektrum sind sie in der Lage, viel echter wirkende Objekte zu erstellen. Da während des Druckaufbaues der komplette Druckraum Schicht für Schicht gefüllt wird, lassen sich auch komplexe Strukturen, Unterschneidungen, Hohlräume und bewegliche Objekte drucken.
Nachdruck der Plauer Tasse
Die während der Digitalisierung angelegte Farbtextur wird detailgetreu im Druck auf das Objekt angewendet. Dadurch kann ein sehr realitätsnaher Effekt erzielt werden. Das fertige Gipsobjekt besitzt eine ähnliche Oberflächenbeschaffenheit, wie sie auch unlackierte Keramik besitzt, wodurch sie ein naturgetreueres Gefühl und auch Gewicht erzeugt.
![](https://blog.praehist3d.de/wp-content/uploads/2016/04/WP_20160118_09_31_18_Pro.jpg)
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![](https://blog.praehist3d.de/wp-content/uploads/2016/04/WP_20160203_09_37_15_Pro-e1459700860466.jpg)
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![](https://blog.praehist3d.de/wp-content/uploads/2016/04/20160408-IMG_0128.jpg)
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Der hier vorgestellte Druck basiert auf einem Objekt aus einer Forschungsgrabung der Freien Universität Berlin und ist eines der ersten Objekte, das von mir mithilfe der Fotogrammetrie digitalisiert wurde. Es besteht aus mehreren Einzelscherben, die digital zusammengesetzt wurden. Da diese Scherben insgesamt ein komplettes Profil ergeben, lässt sich der Restkörper rekonstruieren und ergänzen. Zum Ausrichten und Anpassen der Einzelstücke habe ich das freie Programm Blender verwendet. Auch der ergänzte Bereich wurde mithilfe eines rotierten Profils in Blender erzeugt.
![2016-04-02 16_45_17-Archäologie in 3D (@praehist3D) _ Twitter](https://blog.praehist3d.de/wp-content/uploads/2016/04/2016-04-02-16_45_17-Archäologie-in-3D-@praehist3D-_-Twitter-1.png)
Natürlich wäre es möglich gewesen, die aufgefüllten Flächen in einem sehr naturalistisch wirkenden Ton einzufärben und so quasi eine eins zu eins Kopie zu erzeugen. Allerdings bin ich persönlich kein Freund dieser Methode. Komplette Objekte erwecken den Anschein, als ob das Original in ebendiesem Zustand gefunden wurde; es verzerrt also die wirklichen Gegebenheiten. Ich bevorzuge einen klar abgegrenzten rekonstruierten Teil.
![](https://blog.praehist3d.de/wp-content/uploads/2015/04/Tasse04.jpg)
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![](https://blog.praehist3d.de/wp-content/uploads/2014/11/Bild1-e1424943214101.png)
![](https://blog.praehist3d.de/wp-content/uploads/2014/11/Bild2.png)
Anwendungsmöglichkeiten
Das berührungsfreie Dokumentieren von Objekten in Museen und auf Ausgrabungen bietet viele Möglichkeiten. Neben der schnellen Verfügbarkeit digitaler Modelle können diese auch versendet und analysiert werden, ohne das Original zu gefährden.
Nachdrucke von Objekten können zusätzlich beliebig oft repliziert werden und veranschaulichen besser den Zusammenhang von fragmentierten Objekten. Sie können Besuchern direkt in die Hände gegeben werden und erweitern so das Museumserlebnis um eine haptische Ebene. Gerade für Blinde und eingeschränkt sehende Besucher kann dies eine wundervolle Chance eines erweiterten Museumserlebnisses werden.
Replikate können ebenfalls zu einem relativ günstigen Preis im Museumsshop vertrieben werden, um Besuchern zu ermöglichen, ein Stück Geschichte in ihre eigene Wohnung zu holen, ohne wirklich mit Antiken zu handeln.
Der Einsatz als Exponate im Unterricht an Schulen und Universitäten lässt die sonst nur in Fotos und Bildern vorhandenen Objekte realer und fassbarer erscheinen. Und vermittelt einen besseren dreidimensionalen Eindruck als einfache Abbildungen.
Ich persönlich finde, dass 3D Drucke hier vielfältige Anwendungsmöglichkeiten bieten.
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