Visualisierung/Analyse von Nutzungsspuren

3D Erfassung einer neolitischen Axt

Heute soll es einmal um Abnutzungsspuren und Beschädigungen an archäologischen Funden gehen. Als Beispielobjekt habe ich eine neolithische geschliffene Felssteinaxt gewählt. Diese stammt aus der zentralen Universitätssammlung der Freien Universität Berlin und wurde ursprünglich in Vorbereitung meiner Masterarbeit aufgenommen. Leider handelt es sich um einen Altfund mit nur mäßig überlieferter Dokumentation. Daher ist zwar der Fundort überliefert (Mielsdorf, Kr. Segeberg) jedoch nicht die Fundumstände oder Datierung. Durch die nicht glänzende Oberfläche eignen sich Steingeräte wie diese besonders gut für fotogrammmetrische Verfahren.

Für die Erstellung des 3D Modelles wurden 45 Bilder aufgenommen und diese mit der Agisoft internen Maskierungshilfe freigestellt. Das daraus resultierende Modell wurde auf hohen Einstellungen berechnet und verfügte ursprünglich über 1.500.000 Polygone. Als Kamera wurde, da es sich noch um ein sehr frühes Modell handelte, eine Kompaktkamera (Canon D10) verwendet. Leider führte die fehlende manuelle Blendensteuerung zu einigen unscharfen Bereichen in der Textur.

Visualisierung des 3D Modelles in Blender

Das fertig berechnete 3D Modell wird über die Originalgröße der Axt skaliert und als OBJ Datei exportiert. Diese wird im Anschluss in eine vorbereitete Blender Datei geladen. Ich verwende für Renderaufnahmen in Blender verschiedene Standardvorlagen, die je nach Zweck der Renderbilder leicht unterschiedlich sind.

Studio ähnliche Render

Die häufigsten Renderbilder und Animationen die ich erstelle werden in einer Art virtuellem Studio berechnet. Meist dient ein weicher, monochromer Hintergrund als Standfläche für das zu rendernde Objekt und eine beliebige Anzahl an Flächenlichtern als Beleuchtung. So wird aus einem einfachen 3D Modell schnell und einfach ein fotorealistisch simuliertes Objekt das ähnlich auch aus einem professionellem Fotostudio stammen könnte. Eine gute Stütze bietet das kostenpflichtige Studio kit pro.

Die fertigen Animationen bieten einen schönen Eindruck des Objektes und wirken durch Schattenwurf und Oberflächen Details sehr realistisch.

Verzerrungsfreie Aufnahmen für Publikationen

Die zweite häufig verwendete Rendervariante bildet das verzerrungsfreie Rendern der 3D Objekte. Häufig verwende ich diese Vorlage für Tafeln oder Messbilder in denen es weniger um Ästhetik als Genauigkeit geht. Dabei wird die Kamera von einer standardmäßigen perspektivischen Aufnahme umgestellt auf den Orthogonalen Modus um so verzerrungsfreie Ansichten zu erstellen. Die Lampen werden auch nicht wie vorher als Hauptlicht, Streiflicht und Spots angeordnet sondern simulieren nun eine möglichst gleichmäßige Ausleuchtung der Szene.

Die größte Änderung erfährt der Hintergrund. Dieser wird von mir meist komplett ausgeblendet und dadurch komplett transparent. Dies senkt nicht nur die Berechnungszeit der Bilder massiv sondern gibt automatisch freigestellte Objekte aus. Diese können nun in einem Bildbearbeitungsprogramm nach Wahl beliebig in andere Szenen eingefügt werden ohne mühsam ausgeschnitten zu werden. Leider wird vom JPG Dateiformat keine Tranzparenz unterstützt. Daher habe ich die PNG Dateien hier und hier noch einmal separat hochgeladen.

 

 

 

 

 

Auf den oben eingefügten Bildern lassen sich gut die Nutzungsspuren an der Axt erkennen. Im Originalfarbton setzen sie sich durch eine dunklere Färbung gut von der geschliffenen grünen Oberfläche der Axt ab. Im Fehlfarbbild sind die rauheren Aplatzungen gut von der glatten Oberfläche zu unterscheiden.

Abgenutzte Objekte „was fehlt?“

Abnutzungsspuren sind vielfältig und meist durch die Funktion des Objektes bestimmt. Im Fall dieser Axt handelt es sich vor allem um Abplatzungen die während der Verwendung des Objektes durch Materialermüdung entstanden. So sind vor allem im Bereich der Klinge größere Fehlstellen zu beobachten sowie im Nacken der vielleicht als Hammer verwendeten Rückseite der Axt. Doch wie viel Material genau ist durch Abplatzung verloren gegangen?

Um das herauszufinden wurde der 3D-Scan von einem Polygon- in ein Voxelmodell umgewandelt. Voxel sind im Gegensatz zu Polygonen Objekte mit einem Volumen und verfügen so quasi über Masse. Im Anschluss wurden die Fehlstellen im 3D Programm 3D Coat händisch ergänzt um so eine Annäherung an die ehemals komplette Form zu erhalten. Dieses Rekonstruierte Objekte kann nun durch eine Boolsche Operation vom Scan abgezogen werden um nur die ergänzten Flächen zu erhalten. Die neuen Ergänzungsflächen sind in Rot vom grünen Originalscan abgehoben und können auch live in 3D betrachtet werden.

Einer der größten Vorteile von 3D Modellen ist die einfache Bestimmung von Volumina. So lassen sich auch aus komplexesten Formen einfach und schnell hochgenaue Volumen ableiten. Auf Basis des  Originalscan der Axt lässt sich für das Objekt zum Beispiel ein Volumen von 269,23 cm³ berechnen. Die rekonstruierten Abplatzungen besitzen ein Volumen von etwa 15 cm³. Daher gingen im Laufe der Nutzung des Werkzeuges etwa 5,5 % des Gesamtvolumens verloren, bevor es wahrscheinlich als nicht mehr nutzbar entsorgt wurde. Demgegenüber besitzen aber etwa 31 % der Oberfläche Schadstellen.

Interresant wäre eine Untersuchung an einer Reihe von Äxten eines ähnlichen Zeithorizontes um festzustellen ob dies ein normales Maß der Abrasion darstellt.

Volumen- und Oberflächenbestimmungen lassen sich direkt in Blender durchführen. Installieren sie dafür das frei verfügbare Addon 3D Printing Toolbox. Vergessen sie bitte nicht der Szene einen Maßstab und Maßeinheiten zuzuweisen. Sonst kann es zu sehr abstrakten Ausgaben kommen.

Fragen, Kommentare und Anmerkungen sind wie immer herzlich Willkommen!

 

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